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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 04.04.2025
Lage in Syrien / Nahostkonflikt
Frage
Zu Syrien und Palästina: Die Regierung Netanjahu bombardiert überall, stört überall, und die Bundesregierung schweigt. Wie lange noch?
Büchner (BReg)
Von Schweigen kann ja gar keine Rede sein. Die Bundesregierung hat sich sehr deutlich und sehr besorgt darüber geäußert, dass es nicht gelungen ist, den Waffenstillstand fortzusetzen.
Zu Syrien haben wir uns ebenfalls geäußert. Wir haben die Gewalttaten an der Küste mit großer Sorge betrachtet. Uns schockieren Berichte über die Ermordung von Zivilisten und Gefangenen, und wir verurteilen auch den Ausbruch der Gewalt in den syrischen Regionen Tartus, Latakia und Homs auf das Schärfste. Die Übergangsregierung ist jetzt aufgefordert, weitere Übergriffe zu verhindern, diese Vorfälle transparent aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Wir fordern alle Seiten nachdrücklich zu einem Ende der Gewalt auf.
Tittel (AA)
Was das andere Thema angeht, das Sie angesprochen hatten, so haben wir diese Meldung natürlich auch zur Kenntnis genommen, und da hat sich unsere grundsätzliche Position auch nicht verändert. Für Syrien ist jetzt sehr entscheidend, dass es ein stabiles Umfeld gibt, in dem sich die Syrerinnen und Syrer auf den nationalen politischen Prozess in ihrem Land konzentrieren können. Ausländische Streitkräfte können auf fremdem Territorium militärische Maßnahmen nur in Ausübung des Rechts auf Selbstverteidigung ergreifen. Solange Israel nicht darlegt, inwiefern die militärischen Maßnahmen völkerrechtskonform sind, rufen wir Israel dringend dazu auf, diese militärischen Operationen zu unterlassen. Oberste Prämisse für die Syrerinnen und Syrer ist es, die langfristige Stabilität in Syrien wiederherzustellen. Diese Stabilität sollte nicht durch den Einfluss ausländischer Kräfte weiter gefährdet werden.
Zusatzfrage
In der gestrigen Pressekonferenz mit dem jordanischen König sagte der Bundeskanzler, er glaube nicht, dass Netanjahu verhaftet werde, wenn er nach Deutschland kommt. Arbeitet die Bundesregierung mit dem Internationalen Gerichtshof also nicht mehr zusammen?
Büchner (BReg)
Das ist ja gar keine neue Einlassung des Bundeskanzlers. Auch der Regierungssprecher Hebestreit hat vor langer Zeit schon im Auftrag des Bundeskanzlers gesagt, man könne sich nicht vorstellen, dass der israelische Premierminister hier verhaftet werden würde. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Frage
Hier gehen zwei Sachen ein bisschen durcheinander, nämlich einmal der Haftbefehl und einmal das Thema mit Syrien und ausländischen Streitkräften. Ich möchte noch einmal bei den ausländischen Streitkräften bleiben, die sich dort engagieren und möchte gerne wissen, inwieweit die Bundesregierung sowohl auf die Türkei als auch auf Israel als auch auf mögliche andere Staaten, die dort noch beteiligt sind, hinwirkt. Können Sie uns dazu einen Stand geben? Laufen dazu Gespräche, und wenn ja, wo?
Tittel (AA)
Dazu habe ich aktuell nichts anzukündigen. Wir sprechen natürlich regelmäßig mit vielen Partnern. Wie gesagt, es ist sehr wichtig, dass sich die Syrerinnen und Syrer jetzt auf ihren innenpolitischen Prozess konzentrieren können und da zu einem politischen Prozess kommen, der allen Syrerinnen und Syrern gleiche Rechte gibt.
Zusatzfrage
Dann würde ich zur Lage in Syrien gerne noch an das AA nachfragen: Im Zuge der Veränderungen in Syrien wurde ja auch eine neue Lageeinschätzung angekündigt. Auf welchem Stand ist diese Lageeinschätzung? Liegt sie inzwischen vor, und welche Rückwirkungen hat das dann?
Tittel (AA)
Sie meinen den Asyllagebericht? Wir sehen ja, dass die Sicherheitslage in Syrien weiterhin sehr unvorhersehbar und volatil ist. Das haben wir auch kürzlich erst im Zusammenhang mit der Reise der Bundesinnenministerin gesehen.
Für Abschiebungen sind, wissen Sie, die Bundesländer zuständig. Der AA-Asyllagebericht wird dann aktualisiert, wenn fundierte und nachhaltig belastbare Einschätzungen der asyl- und abschieberelevanten Lage möglich sind. Nur noch einmal zur Erklärung: Der AA-Lagebericht entscheidet nicht über Abschiebungen; vielmehr ist er eine, aber auch nicht die einzige Faktenquelle für zuständige Behörden und Gerichte.
Frage
Ich hätte ganz gerne noch einmal zu dem Haftbefehl gefragt, Herr Büchner und Frau Tittel: Gestern gab es ein bisschen Unklarheit, was die Äußerungen des Kanzlers und der Außenministerin angeht; man könnte da einen Widerspruch sehen. Der Bundeskanzler hatte gesagt, er könne sich nicht vorstellen, dass Netanjahu hier verhaftet werden würde. Die Außenministerin hatte im Hinblick auf den Besuch in Ungarn gesagt, es sei ein schlechter Tag für das Völkerstrafrecht. In Europa stehe niemand über dem Recht, und das gelte für alle Bereiche des Rechts. ‑ Das impliziert, dass dann eine Verhaftung hätte erfolgen müssen. Deswegen noch einmal die Frage an Sie beide: Gibt es da nicht einen Widerspruch zwischen der Position des Kanzlers und der Position der Außenministerin? Wie lösen Sie das auf?
Büchner (BReg)
Der Bundeskanzler sieht darin keinen Widerspruch. Dass er sich nicht vorstellen kann, dass es hier zu einer Verhaftung von Herrn Netanjahu kommt, ist ja eine allgemeine Einlassung.
Tittel (AA)
Ich glaube, die Bundesaußenministerin hat sich auch nicht nur auf Netanjahu bezogen, sondern vor allem auch auf die Ankündigung Ungarns ‑ die wir sehr bedauerlich finden ‑, den IStGH zu verlassen.
Zusatzfrage
Frau Tittel, kann die Bundesaußenministerin sich auch nicht vorstellen, dass Herr Netanjahu bei einem Besuch hier verhaftet würde?
Tittel (AA)
Die Bundesaußenministerin hat sich gestern geäußert, und dem habe ich hier nichts hinzuzufügen.
Zusatzfrage
Sie haben ja gerade gesagt, dass das eher eine generelle Äußerung war. Daher frage ich jetzt explizit: Kann sich die Bundesaußenministerin vorstellen, dass Herr Netanjahu verhaftet würde, wenn er Deutschland besuchen würde?
Tittel (AA)
Wie gesagt, die Bundesaußenministerin hat sich schon öfter zu diesem Thema geäußert, und auf diese Äußerungen würde ich gerne verweisen.
Frage
Frau Tittel, ich habe noch zwei Fragen zu Israel, einmal zum Thema Gaza und einmal zum Thema Westjordanland.
Die Bundesregierung hat sich gestern im UN-Menschenrechtsrat gegen eine Resolution für Gaza eingesetzt. Da ging es konkret um eine sofortige Waffenruhe, um die Freilassung der Gefangenen auf beiden Seiten und auch um die Aufhebung der Blockade in Gaza. Warum hat die Bundesregierung dagegen gestimmt?
Zum Westjordanland: Zwei Schlüsselminister im israelischen Kabinett, der Verteidigungsminister Katz und der Finanzminister Smotrich, haben ein Statement abgegeben, in dem sie ganz klar gesagt haben, dass sie das gesamte Westjordanland annektieren würden. Welche Konsequenzen hätte das für die Bundesregierung?
Tittel (AA)
Sie haben recht, am Mittwoch wurde über eine Resolution zur “accountability” im Menschenrechtsrat abgestimmt. Das ist eine von vier Resolutionen mit Nahostbezug, die jährlich im Menschenrechtsrat Thema sind. Deutschland hat mit Nein gestimmt, weil die Resolution Formulierungen enthält, die wir uns so nicht zu eigen machen können. Wir hatten uns in Genf bis zuletzt für eine Kompromissfindung eingesetzt und konnten auch einige Textverbesserungen erzielen.
Ganz grundsätzlich kann man vielleicht erklären: Es kommt im UN-Kontext vor, dass UN-Resolutionen, die wir in vielen Teilen unterstützen, wesentliche Abschnitte enthalten, die für uns nicht tragbar sind. Die Entscheidung, wie Deutschland abstimmt, ist also immer eine Abwägung. In diesem Fall haben wir die Abwägung so getroffen, dass wir mit Nein gestimmt haben.
Davon völlig unbenommen ist aber unsere Haltung zur Lage in Gaza. Wie Sie wissen und wie wir hier auch dreimal die Woche sagen, setzen wir uns sehr intensiv für einen Waffenstillstand und auch für eine Verbesserung der humanitären Lage ein, und wir rufen auch ganz aktiv dazu auf, humanitäre Lieferungen nach Gaza wieder zu ermöglichen.
Zusatzfrage
Unterstützen Sie vor dem Hintergrund der Katastrophe in dem Gebiet eine sofortige Waffenruhe, Frau Tittel?
Tittel (AA)
Sie wissen, dass die Bundesregierung sich dafür einsetzt, dass alle Parteien eine Verhandlungslösung finden, statt militärisch zu eskalieren. Wir rufen alle Parteien dazu auf, die Blockade der humanitären Hilfslieferungen aufzuheben und die Zivilbevölkerung zu schützen. Wir hoffen sehr, dass alle Parteien zu einem Waffenstillstand finden und dass die Gespräche dazu weitergehen.
Büchner (BReg)
Ich kann das gerne noch einmal unterstützen ‑ jetzt sozusagen noch einmal an der richtigen Stelle, nachdem ich den Kollegen vorhin falsch verstanden hatte.
Diese erneute Eskalation im Gazastreifen nach der hart verhandelten Waffenruhe beobachten wir mit großer Sorge. Die zivilen Opferzahlen und das menschliche Leid im Gazastreifen sind groß. Das lässt uns nicht kalt. Was es jetzt braucht, ist eine schnelle Rückkehr zu dem zuvor ausgehandelten Waffenstillstand. Die Hamas ist aufgefordert, alle Geiseln freizulassen. Deshalb hat der Bundeskanzler gestern nach seinem Treffen mit dem jordanischen König erneut betont: Ein nachhaltiger Friede, der die Lage in Gaza und im Westjordanland stabilisiert, kann nur durch eine politische Lösung erreicht werden. Dabei hält Deutschland weiterhin an einer verhandelten Zweistaatenlösung fest.
Tittel (AA)
Die Bundesregierung setzt sich, wie Sie wissen, für eine Zweistaatenlösung ein. Das Westjordanland ist Teil der palästinensischen Gebiete, die auch Teil eines zukünftigen palästinensischen Staates werden würden. Da hat sich unsere Position gar nicht verändert, und in dieser Richtung führen wir auch alle Gespräche mit der israelischen Regierung.
Frage
Sie sagten gerade, in der UN-Resolution seien Formulierungen enthalten, die für die Bundesregierung nicht tragbar waren. Welche konkreten Formulierungen waren das denn bzw. worum ging es dabei inhaltlich?
Tittel (AA)
Unter anderem geht es dabei darum, dass die Ereignisse vom 7. Oktober nur sehr schwach und ohne eine explizite Nennung der Hamas verurteilt werden und dass Israels Recht auf Selbstverteidigung nicht genannt wird. Im UN-Kontext muss manchmal einfach das Gesamtpaket zustimmungsfähig sein. Falls ich das eben nicht klar genug gemacht habe: Die Bundesregierung ruft dringend zu einer Rückkehr zum Waffenstillstand auf. Manchmal kommt es aber vor, dass, wenn in einer UN-Resolution viele Sachen dabei sind, denen wir zustimmen würden, aber eben auch einige, denen wir nicht zustimmen, man dann dem Paket als solchem nicht zustimmen kann.
Frage
Herr Büchner, Sie haben die Hamas zur Freilassung der Geiseln aufgerufen. Haben Sie auch konkrete Forderungen an die israelische Regierung?
Büchner (BReg)
Wenn wir sagen, dass wir uns eine Rückkehr zum Waffenstillstand wünschen, ist es ja sozusagen immanent so, dass damit dann beide Seiten gemeint sind und wir an beide Seiten appellieren, dazu beizutragen.
Verhängung eines Einreiseverbots gegen drei führende Politiker der Republika Srpska
Frage
Frau Tittel, der bosnische Serbenführer Milorad Dodik, der sich trotz eines internationalen Haftbefehls Anfang der Woche in Moskau mit Wladimir Putin getroffen hatte, ist nach eigenen Angaben wieder in Bosnien. Deutschland und Österreich haben jetzt ein Einreiseverbot gegen Dodik und zwei weitere führende Politiker der Republika Srpska verhängt.
Was wirft die deutsche Regierung Dodik vor?
Tittel (AA)
Staatsministerin Lührmann hat sich dazu bereits gestern relativ eingehend geäußert. Die Bundesregierung hat gestern einreiseverhindernde Maßnahmen gegen zunächst drei hochrangige Amtsträger aus der Republika Srpska verhängt. Die Bundesregierung setzt sich außerdem für EU-Sanktionen ein. Wir sind jetzt mit Österreich vorangeschritten, aber andere EU-Mitgliedstaaten sind eingeladen, unserer Initiative zu folgen.
Attacken auf die Verfassungsintegrität von Bosnien und Herzegowina durch führende Politiker aus der Republika Srpska, die den Gesamtstaat bewusst schwächen sollen, sind inakzeptabel und eine Gefahr für die Sicherheit und Stabilität in Bosnien und Herzegowina und der ganzen Region. Der Schutz der Grundprinzipien von Dayton, die Wahrung der Souveränität und territorialen Integrität des Gesamtstaates sind für die Bundesregierung unverhandelbar, auch weil Frieden und Stabilität im Herzen Europas eine Verpflichtung für uns sind und bleiben müssen.
Die Amtsträger der Republika Srpska sind aufgerufen, ihren politischen Kurs umzukehren, verfassungswidrige Gesetze zurückzunehmen und den Aufbau illegaler Parallelstrukturen zu unterlassen.
Zusatzfrage
Dodik zufolge hat Serbien bei der Internationalen Polizeibehörde interveniert, um zu verhindern, dass Interpol eine rote Notiz zur Festnahme und Auslieferung Dodiks ausstellt. Welche Botschaft haben Sie in dem Zusammenhang an Serbien, da Sie das vorgetragen haben, was Frau Lührmann betont?
Tittel (AA)
Eine Antwort müsste ich nachliefern.
[…]
Tittel (AA)
(Nachlieferung) Was die Frage bezüglich Serbiens angeht: Wir haben natürlich die klare Erwartung, dass sich Serbien gemäß seiner internationalen Verpflichtungen für den Erhalt des Dayton-Friedensabkommens einsetzt und separatistischen Tendenzen in der Republika Srpska entgegentritt.
Zu der Frage, ob Serbien bei Interpol interveniert hat, liegen uns keine Informationen vor. Das wäre eine Frage, die Sie dann Serbien oder Interpol stellen müssten.
Verbot von Antipersonenminen
Frage
[…] Jetzt sind einige der mitteleuropäischen und osteuropäischen Staaten aus dem Verbot der Antipersonenminen und Ähnlichem ausgestiegen. Da wollte ich gerne wissen: Wie ist da der Stand innerhalb der Bundesregierung? Gibt es hier Bestrebungen, auch entsprechende Veränderungen der Position vorzunehmen, um gegebenenfalls auch diese Variante von Systemen einsetzen zu können?
Tittel (AA)
Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die Verteidigungsminister Polens, Litauens, Lettlands, Estlands und nun auch Finnlands einen Austritt ihrer Länder aus der Ottawa-Konvention empfehlen. Wir sind uns bewusst, dass sich die Staaten an der NATO-Ostflanke eben besonders von Russland bedroht sehen. Russland selbst ist der Ottawa-Konvention nie beigetreten und setzt Antipersonenminen großflächig ein. Die Ankündigungen führen natürlich vor Augen, wie der russische Angriffskrieg die internationale Ordnung, die Rüstungskontrollarchitektur und den weltweiten Schutz der Zivilbevölkerung untergräbt. Die Ottawa-Konvention bleibt aber von hoher humanitärer und rüstungskontrollpolitischer Bedeutung und kann auch künftig einen wichtigen Beitrag zum weltweiten Schutz insbesondere der Zivilbevölkerung leisten.
Die Haltung der Bundesregierung zur Ottawa-Konvention gilt unverändert. Deutschland ist Vertragsstaat des Übereinkommens über das Verbot von Antipersonenminen und hält sich in vollem Umfang an die Verpflichtungen des Übereinkommens. Wir setzen uns weltweit für die humanitären Zielsetzungen dieses wichtigen Abkommens ein.
Zusatzfrage
Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, umfasst die Ottawa Konvention auch, dass man eben keine Antipersonenminen produziert und liefert. Das könnte jetzt natürlich für Schwierigkeiten sorgen. Deutschland ist einer der größeren Waffenproduzenten in Europa. Gibt es da einen Prozess des Nachdenkens über die Frage, ob man zumindest diesen Teil auch wieder ändert?
Büchner (BReg)
Das ist doch spekulativ. Deshalb würden wir das hier auch nicht kommentieren.