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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 27.01.2025
Aktuelle Lage in Ostkongo
Frage
Zunächst eine Frage an das BMZ: Sie hatten ja schon eine Mitteilung veröffentlicht. Darin heißt es:
„Ruandas Soldaten und die von ihnen unterstützte Rebellengruppe M23 müssen sich (...) umgehend zurückziehen. Alle Seiten müssen an den Verhandlungstisch und zur Deeskalation beitragen. Wir sind bereit, die Länder bei einer friedlichen Entwicklung zu unterstützen ‑ aber sie müssen auch selbst ihren Beitrag zum Frieden leisten.“
Das ist ja jetzt ein Punkt, der hunderttausende Menschen gefährdet. Manche reden von Millionen Menschen. Ist es dann nicht an der Zeit, auch darüber zu sprechen, ob Deutschland die Entwicklungshilfe an Ruanda kürzt oder einstellt?
Schöneck (BMZ)
Sie haben bereits zitiert, dass es aus unserer Sicht relevant ist, dass alle Akteure, die an diesem Konflikt beteiligt sind, ihre Verantwortung wahrnehmen. Natürlich beobachten wir die Situation genau und prüfen mögliche und nötige Konsequenzen. Wir prüfen auch, wie wir anstehende Gespräche mit der ruandischen Regierung dafür nutzen können, genau diesen Punkt sehr konkret herüberzubringen.
Zusatzfrage
Das heißt, es wird auch als eine Möglichkeit gesehen, am Hebel Entwicklungshilfe zu drehen?
Schöneck (BMZ)
Wie gesagt: Zum aktuellen Zeitpunkt appellieren wir an alle Verantwortlichen, ihrer Verantwortung nachzukommen, und wir prüfen, ob und in welcher Form Konsequenzen notwendig sind.
Wagner (AA)
Lassen Sie mich vielleicht ergänzen: In der Tat haben wir im Ostkongo über das Wochenende eine ziemlich extreme Lageverschärfung gesehen. Es gibt Berichte darüber, dass jetzt auch die Provinzhauptstadt Goma von den Rebellen eingenommen wurde. Das kann man nicht verifizieren. Aber klar ist ‑ und das haben Sie in Ihrer Frage auch anklingen lassen ‑, dass das massive und furchtbare Auswirkungen auf die humanitäre Lage in der Region hat.
Wir sprechen mit unseren Partnern in den Vereinten Nationen. Sie haben gesehen, dass der UN-Sicherheitsrat gestern eine Sitzung zu der Causa hatte. Auch dort haben wir noch einmal unsere Forderungen verstärkt, die wir hier am Freitag schon dargelegt haben, dass sich die Truppen zurückziehen müssen, dass sich M23 zurückziehen muss, dass sich ausländische Kräfte, die ruandischen Truppen, zurückziehen müssen.
Wir stimmen uns jetzt eng mit unseren Partnern ab. Das wird auch Thema beim Außenrat sein, bei dem ja auch die Außenministerin heute in Brüssel zugegen ist.
Zusatzfrage
Dann wüsste ich gern ganz genau: Wie würden Sie jetzt das aktuelle Verhältnis zu Ruanda unter Kagame beschreiben?
Wagner (AA)
Für uns steht im Vordergrund unseres Handelns, dass wir jetzt auf diese Lageeskalation reagieren. Da wird es Gespräche geben. Wir werden mit Ruanda sprechen. Es wird heute in New York noch einen Kontakt zur kongolesischen Außenministerin geben.
Sie haben ja den Kollegen aus dem BMZ gehört. Wir schließen da keine Instrumente aus. Aber es geht jetzt erst einmal darum, auf dem Verhandlungsweg in einen Prozess zu kommen, der uns wieder zu einem Verhandlungsprozess führt. Es gab Ende letzten Jahres Gespräche, die dann gescheitert sind; das wissen Sie besser als ich. Insofern müssen wir jetzt alles tun ‑ und das tun wir als internationale Gemeinschaft zusammen mit unseren Partnern ‑, um wieder dorthin zurückzukommen.
Frage
Herr Büchner, 2022 nannte der Bundeskanzler Herrn Kagame im Kontext der BioNTtech-Ansiedlung noch den lieben Paul Kagame. Da würde ich gerne wissen, wie das Liebesverhältnis momentan ausschaut, ob er, wenn die Beziehung in der Vergangenheit so gut war, selber aktiv zum Telefonhörer gegriffen hat, um an der Stelle auf ihn einzuwirken.
Die zweite Frage würde ich an das Auswärtige Amt richten. Ich würde gerne wissen, ob momentan in irgendeiner Form Sanktionen gegen ruandische Akteure bestehen aufgrund der Übergriffigkeit ins Nachbarland.
Büchner (BReg)
Mir ist jetzt kein kürzlich stattgefundener Kontakt des Bundeskanzlers mit Herrn Kagame bekannt. Ich habe ich aber auch keine Gelegenheit gehabt, mit ihm darüber zu sprechen. Deshalb kann ich Ihnen dazu nichts Aktuelles sagen.
Wagner (AA)
Ich glaube nicht, dass es da Sanktionen gibt. Das müsste ich Ihnen aber nachreichen. Da lasse ich gerne nachhören.
Noch einmal: Im Vordergrund steht jetzt, auf die Akteure einzuwirken. Es betrifft Ruanda auf der einen Seite, es betrifft auch die Kongolesen. Da gibt es ja auch Unterstützung für Milizen, die sich Verbrechen schuldig gemacht haben. Insofern ist es ein ziemlich komplexer Konflikt, der gerade im Ostkongo wieder einmal eskaliert. Wir waren vor fünf Jahren ja in einer ähnlich scharfen Eskalationsstufe.
Also noch einmal: Es gilt, denke ich, jetzt wirklich das, was der Sicherheitsrat gestern für die Weltgemeinschaft artikuliert hat. Die Truppen müssen sich jetzt zurückziehen und die Kämpfe müssen eingestellt werden. Daran knüpfen wir jetzt an.
Frage
Herr Wagner, können Sie uns sagen, wie viele deutsche Staatsbürger sich in der Region Goma aufhalten?
Wagner (AA)
Es handelt sich um eine niedrige zweistellige Zahl deutscher Staatsangehöriger, die uns bekannt sind.
Sie kennen unser System der Krisenvorsorgeliste ELEFAND, in die sich betroffene Deutsche eintragen können. An dieser Stelle daher noch einmal der Werbeblock und die Bitte, dies zu nutzen und sich dort einzutragen. Denn nur über dieses System können wir mit den deutschen Staatsangehörigen unmittelbar kommunizieren. Das war auch über das Wochenende der Fall. Mittlerweile gibt es eine Ausreiseaufforderung für Nord-Kivu.
Zur Frage von Sanktionen: Es gibt tatsächlich ein Sanktionsregime der EU zu dem Konfliktgebiet, in dem unterschiedliche Akteure verschiedener Milizen gelistet sind.
Beschädigung von Kommunikationskabeln in der Ostsee
Frage
An wen auch immer, der sich zu einer Antwort berufen fühlt: Angesichts der neuerlichen Unterbrechung eines Unterseekabels, aller Voraussicht nach wieder durch ein Schiff mit niedergelassenem Anker, wenn wir das aktuell richtig verfolgt haben, wüsste ich gern, ob die Bundesregierung dazu irgendwelche eigenen Erkenntnisse hat und ob sie selbst respektive nachgeordnete Stellen in irgendeiner Form an der Aufklärung dieses Vorfalls beteiligt sind. Was können Sie mir dazu sagen?
Büchner (BReg)
Der Vorfall zeigt erneut, wie verwundbar die kritische Unterwasserinfrastruktur ist. Die gerade begonnene NATO-Aktivität Baltic Sentry in der Ostsee mit deutscher Beteiligung leistet einen Beitrag zur Klärung des Sachverhalts. Hier haben wir also die deutsche Beteiligung im Rahmen der NATO. Die Erhöhung der Präsenz in der Ostsee im NATO-Rahmen und der bessere Schutz kritischer Unterwasserinfrastruktur sind für uns von zentraler Bedeutung.
Müller (BMVg)
Ich kann ergänzen. Sie wissen, dass bei der „activity“ Baltic Sentry der CTF Baltic vom DEU MARFOR eingebunden ist. Am Wochenende, als die Geschehnisse bekannt wurden, hat der CTF Baltic die koordinierende Rolle für die „activity“ für die NATO übernommen und war auch bei der Informationszusammenführung, beim Lagebild, beteiligt. Aber eine direkte Beteiligung seegehender oder luftgestützte Einheiten hat nicht stattgefunden.
Zusatzfrage
Gibt es aus Sicht der Bundesregierung irgendeine Möglichkeit, in absehbarer Zeit etwas Praktisches gegen diese inzwischen zumindest gefühlt alle drei Tage auftretenden Vorkommnisse zu unternehmen?
Wagner (AA)
Ich kann Sie gern noch einmal auf die Pressekonferenz der Außenministerin mit ihrem litauischen Kollegen von Anfang letzter Woche verweisen. Es ist das Wesen der hybriden Bedrohung, dass wir wie auch wieder bei diesem Vorfall nicht genau wissen, was vorgefallen ist. Insofern ist das Thema hybrider Bedrohung heute Thema beim Außenrat der Außenminister. Dazu hat Deutschland konkrete Vorschläge gemacht, die dort heute diskutiert werden. Das sind Dinge wie eine noch engere Koordinierung zwischen EU und NATO, ein besserer Informationsfluss, ein Informationsfluss, der auch bis zu bestimmten Einstufungen gehen kann, und die Frage der Einbeziehung der Wirtschaft, um schneller reaktionsfähig zu sein und schneller ein Lagebild zu haben. Es liegen also ein paar Vorschläge auf dem Tisch, die jetzt Teil der Diskussion in Brüssel sein werden. Wie gesagt, müssen wir gewahr sein, dass diese hybriden Bedrohungen nur noch zunehmen werden.
Druckenthaner (BMDV)
Ich kann für das Digitalministerium noch ergänzen. Jenseits der Sicherheitsfragen zeigen diese Vorfälle auch die Bedeutung von Redundanzen bei den Unterseekabeln. Wir brauchen Zweit- und Drittkabel, wenn einzelne Kabelverbindungen ausfallen. Aus diesem Grund haben wir hier in der Vergangenheit kaum Auswirkungen gespürt, als einzelne Kabel, die mittlerweile wieder repariert sind, ausgefallen sind. Deswegen setzen wir uns als Digitalressort auch auf G7- und auf EU-Ebene dafür ein, dass die Unterseedatenkabelverbindungen ausgebaut werden.
Äußerungen des US-amerikanischen Präsidenten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt
Frage
Herr Wagner, der US-Präsident hat am Samstag gefordert, zwei Millionen Menschen aus Gaza zu vertreiben. Zitat: „We just clean out that whole thing“, also: Wir putzen Gaza aus. ‑ Die Palästinenser sollen aus ihrem Staatsgebiet vertrieben und nach Ägypten und Jordanien gebracht werden.
Ich habe bisher noch keine Protestnote der deutschen Regierung dazu gehört, dass ein Alliierter jetzt eine ethnische Säuberung fordert.
Wagner (AA)
Die Protestnote braucht es nicht, weil es eine gemeinsame Haltung der Europäischen Union, unserer arabischen Partner und der Vereinten Nationen gibt, die ganz klar ist und die besagt, dass die palästinensische Bevölkerung aus Gaza nicht vertrieben und Gaza auch nicht dauerhaft besetzt oder durch Israel wiederbesiedelt werden darf. Das ist auch eine bislang geeinte Haltung der G7.
Ich brauche Ihnen nicht zu erzählen, dass das gerade für die arabischen Staaten in der Region ein hochsensibler Punkt ist. Sie haben wahrscheinlich zur Kenntnis genommen, wie sich die Amtskollegen der Außenministerin aus Ägypten und Jordanien dazu geäußert haben.
Insofern würde ich jetzt sagen: Für uns ist weiterhin zentral, dass das Waffenstillstandsabkommen jetzt umgesetzt wird.
Zusatzfrage
Die europäische und die deutsche Position, dass Sie gegen ethnische Säuberungen und Vertreibungen sind, kenne ich. Aber jetzt ist der US-Präsident ‑ das ist das Neue ‑ dafür, und er ist Ihr Alliierter. Gibt es da keinen Widerspruch?
Wagner (AA)
Es gab eine Äußerung des US-Präsidenten, die wir zur Kenntnis genommen haben. Aber ich habe Ihnen gerade noch einmal sehr deutlich dargelegt, was unsere Haltung dazu ist.
Noch einmal: Es ist ein hochsensibler Punkt für unsere Partner in der Region, dass Vertreibungen und eine Wiederbesiedlung Gazas nicht möglich sind. Das haben wir auch beim G7-Außenministertreffen in Tokio 2023 noch einmal sehr deutlich dargelegt. Insofern ist unsere Haltung, wie wir dazu stehen, denke ich, mehr als deutlich und klar.
Präsidentschaftswahl in Belarus
Frage
Eine Frage an die Bundesregierung: Was sagen Sie zum Wahlausgang und zu den Wahlen in Belarus?
Büchner (BReg)
Man könnte zunächst damit anfangen, dass es überhaupt gar keine Wahl war. Die gestrige sogenannte Präsidentschaftswahl in Belarus war weder frei noch fair. Man hat demokratischen Mindeststandards in keiner Weise entsprochen. Die Menschen in Belarus hatten keine echte Wahl. Denn ernstzunehmende Gegenkandidaten waren nicht zugelassen. Auch waren wie bereits 2020 keine OSZE-Wahlbeobachter vor Ort, da die erforderliche Einladung seitens der belarussischen Behörden wie bereits 2020 absichtlich zu spät erfolgte, knapp zehn Tage vor der Wahl, sodass keine Wahlbeobachtung mehr organisiert werden konnte. Das verhindert nicht nur eine unparteiische und unabhängige Bewertung des Wahlprozesses, sondern ist ein Verstoß gegen die von dem Land eingegangenen OSZE-Verpflichtungen.
Demokratie verlangt freie, faire und transparente Wahlen. Das ist in Belarus erkennbar nicht der Fall. Infolgedessen betrachtet die Bundesregierung Machthaber Lukaschenko auch weiterhin nicht als demokratisch legitimiert.
Täglich erleben die Menschen in Belarus Unterdrückung und Repression. Das Regime versucht weiterhin mit einem Klima aus Einschüchterung und Angst, die Sehnsucht der Menschen in Belarus nach Freiheit, Demokratie und der Einhaltung von Menschenrechten zu unterdrücken. Inhaftierungen, Entführungen und Folter sind an der Tagesordnung. Denn dies sind die perfiden Methoden, mit denen sich das Lukaschenko-Regime an die Macht klammert.
Zusatzfrage
Sind neue Sanktionen gegen Belarus ein Thema für die Bundesregierung?
Wagner (AA)
Die Außenministerin hat sich schon gestern auf der Plattform Bluesky dazu eingelassen. Darauf kann ich Sie gern noch einmal verweisen. Sie wissen, dass Sanktionen im EU-Rahmen einstimmig beschlossen werden müssen. Insofern ist auch der zukünftige Umgang mit Belarus heute Thema beim Außenrat. Ich erzähle Ihnen aber kein Geheimnis, wenn ich sage, dass es in der EU nicht unbedingt Einstimmigkeit bezüglich des Umgangs mit Belarus gibt.
80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz
Frage
Herr Wagner, gibt es von Frau Baerbock am Tag der Befreiung von Auschwitz einen Kommentar zu dem „Schuldkult“-Narrativ von Herrn Musk?
Wagner (AA)
Was die Außenministerin zu dem heutigen Jahrestag zu sagen hat, hat sie heute Morgen auf Instagram in einem Video publiziert. Ich habe den Ausführungen des stellvertretenden Regierungssprechers hier nicht viel vonseiten des Auswärtigen Amtes hinzuzufügen.
Noch einmal ‑ wir haben das hier schon oft dargelegt ‑: Wir sind der Meinung, dass wir diese Plattform eben nicht nur einem Narrativ überlassen können. Ich glaube, auch „Jung und Naiv“ ist weiterhin auf X präsent. Ich glaube, es ist wichtig, auch dort zu kommunizieren, gerade auch zu einem Jahrestag wie dem heutigen. Natürlich schauen wir uns immer wieder an, ob es Sinn macht, noch dazubleiben, aber für den Moment ist das eben so. Wir stärken aber natürlich auch andere Plattformen, die wir benutzen, und kommunizieren dort prioritärer. Insofern ist das unsere Linie zu X.
Zusatzfrage
Vielleicht haben Sie gerade nicht zugehört oder Sie haben bewusst „derailt“: Ich habe nicht nach Twitter und der Plattform gefragt, sondern ich habe gefragt, was Frau Baerbock als Außenministerin am heutigen Tag der Befreiung von Auschwitz zu dem amerikanischen Regierungsmitglied Elon Musk sagt, der in Halle das rechtsextreme „Schuldkult“-Narrativ bedient hat.
Wagner (AA)
Ich glaube, es ist ganz eindeutig, was die Außenministerin zu solchen Äußerungen denkt. Übrigens ist Herr Musk nicht amerikanisches Regierungsmitglied; er ist ja auch nicht vom Senat bestätigt. Seine Behörde, die eingerichtet worden ist, ist ganz explizit nicht eine amerikanische Regierungsbehörde ‑ da müssten Sie die Amerikaner fragen, was sie dann eigentlich ist. Das macht seine Einlassungen aber nicht weniger schlimm. Insofern, glaube ich, ist ganz eindeutig, wie die Außenministerin dazu persönlich steht, ‑
Zusatzfrage
Ja, wie denn?
Wagner (AA)
‑ und es gilt ‑ ich sage es noch einmal ‑: Wir werden da nicht über jedes Stöckchen springen, das uns hingehalten wird.