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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 24.01.2025
Nahostkonflikt
Frage
Die Frage geht ans Auswärtige Amt und vielleicht auch ans Wirtschaftsministerium. Israel verlagert nach dem Waffenstillstand seine militärischen Aktivitäten jetzt auf die Westbank. Dort werden vermehrt militärische Angriffe gestartet. Die Bundesregierung, vor allem das Auswärtige Amt, hat in der Vergangenheit immer sehr klar die Position bezogen, dass die israelische Siedlungspolitik auf der Westbank rechtswidrig sei. Ist das nicht der Moment, in dem dann doch über ein Ende deutscher Waffenlieferungen ernsthaft nachgedacht werden kann? Denn das wäre – nach Ihrer Logik – nicht mehr mit der Selbstverteidigung gegen Hamas-Attacken zu begründen.
Fischer (AA)
Ich kann anfangen. Sie wissen, dass über Waffenexporte immer im Einzelfall entschieden wird – unter Berücksichtigung der jeweiligen rechtlichen, völkerrechtlichen, menschenrechtlichen und sicherheitspolitischen Lage. In die Bewertung gehen natürlich all die Dinge ein, die wir jetzt im Westjordanland sehen. Gleichzeitig habe ich mich am Mittwoch schon sehr ausführlich zur Lage in Dschenin geäußert. Während uns aus Gaza durchaus erste positive Signale erreichen ‑ die Waffenruhe hält, der Waffenstillstand hält, die ersten Geiseln sind freigelassen worden, und tatsächlich kommt jetzt auch sehr viel humanitäre Hilfe in den Gazastreifen ‑, habe ich damals gesagt, dass wir sehr besorgt über die Lage im Westjordanland sind. Wir gehen davon aus, dass das auch beim Rat, beim Treffen der Außenministerinnen und Außenminister in Brüssel am Montag Thema sein wird.
Die anscheinend relativ groß angelegte israelische Operation „Iron Wall“ in Dschenin hat bereits zahlreiche Opfer und Verletzte gefordert. Es ist nicht auszuschließen, dass sie auch zu einer weiteren Radikalisierung der palästinensischen Bevölkerung beiträgt. Das ist zutiefst bedauerlich, gerade nachdem zuletzt auch die palästinensischen Sicherheitsbehörden selbst in Dschenin aktiv waren, um Sicherheitsbedrohungen zu bekämpfen; denn es ist ja gemäß des Oslo-Abkommens in erster Linie Aufgabe der Sicherheitskräfte der palästinensischen Autonomiebehörde im A-Gebiet des Westjordanlands, zu dem Dschenin gehört, für Sicherheit zu sorgen. Das Eingreifen der israelischen Truppen, das im Einzelfall im Einklang mit nachvollziehbaren israelischen Sicherheitsinteressen sein kann, untergräbt allerdings in dieser Hinsicht die Legitimität der palästinensischen Sicherheitskräfte.
Klar ist: Israel ist Besatzungsmacht im Westjordanland und damit auch zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung berechtigt und verpflichtet. Dies muss im Einklang mit dem Völkerrecht passieren, wie wir immer wieder deutlich gemacht haben. Genau wie am Mittwoch rufen wir auch heute in dieser akuten Phase zur Zurückhaltung auf.
Haufe (BMWK)
Ich kann dem nur so beipflichten: Die Einzelfallprüfung ist genau das Instrument, um die notwendige aktuelle Lageanalyse in die Rüstungsexportentscheidungen einfließen zu lassen.
Zusatzfrage
Herr Fischer, Sie haben in Ihrer Antwort im Grunde das, was ich in der Frage formuliert hatte, als Veränderung der israelischen Militärstrategie noch einmal ausgeführt und bestätigt. Deswegen ‑ die Antwort haben Sie nicht gegeben ‑ die Frage: Sind das nicht notwendigerweise verändernde Parameter, die dann auch in Einzelfallentscheidungen einfließen müssen? Es ist doch einfach eine andere Lage.
Fischer (AA)
Ich glaube, ich habe die Frage schon beantwortet. Ich habe gesagt, in die Einzelfallentscheidungen fließen all diese Dinge ein, einschließlich der Lage im Westjordanland.
Frage
Bei der nächsten Geiselfreilassung könnte eine Geisel mit Deutschlandbezug freikommen: Israel verlangt von der Hamas, dass Arbel Jehud bei der nächsten Runde dabei ist. Können Sie präzisieren, was der Bezug zu Deutschland ist? Hat sie die deutsche Staatsangehörigkeit? Haben Sie Hinweise darauf, ob sie freigelassen werden könnte?
Fischer (AA)
Ich werde mich nur allgemein äußern. Gemäß dem Abkommen erwarten wir, dass am Samstag vier weitere Geiseln aus Gaza freikommen. Außerdem soll die Hamas Informationen zur Frage bereitstellen, welche der Geiseln, die in Phase 1 freikommen, noch am Leben sind. Auch mit Blick auf die deutschen Staatsangehörigen, die noch unter den Geiseln sind, und den Geiseln mit Deutschlandbezug rufen wir alle Seiten dazu auf, alle Teile des Abkommens einzuhalten, den Waffenstillstand einzuhalten und besonders auch bei der Geiselfreilassung weiter voranzukommen.
Medienbericht über einen Dissens innerhalb der Bundesregierung hinsichtlich finanzieller Hilfe für die Ukraine
Frage
Herr Hebestreit, welchen Begriff von Lüge hat der Bundeskanzler? In Sachen der Ukrainehilfe hat er zunächst gesagt, das deutsche Volk werde belogen, und dann ausgeführt: durch diejenigen, die nicht sagen, wo im Haushalt das Geld herkommen soll.
Lüge bedeutet eine Aussage, die im Widerspruch zu bekannten Tatsachen steht. Wo wurde gelogen, wenn Menschen nicht darüber reden, woher das Geld kommen soll, was ja sein kann?
Hebestreit (BReg)
Wir diskutieren immer wieder gern über einzelne Begriffe und darüber, wie ein Begriff gemeint ist. Ich will das jetzt nicht tun; das können wir einmal bei einer Tasse Kaffee besprechen. Ich denke, der Bundeskanzler hat es relativ eindeutig gesagt. Das hat er nicht allein auf die berühmten drei Milliarden Euro der überplanmäßigen Ausgabe bezogen, sondern insgesamt darauf, dass wir in einem Wahlkampf sind, in dem viele vieles versprechen, aber keiner erklärt, wie es hinterher bezahlt werden kann. Diese Frage wird ausgeblendet. Aber nach einer Wahl muss man sie beantworten, und dann kommt das böse Erwachen. Wenn man sich mit diesen Fragen nicht beschäftigt, wenn man diese Fragen nicht beantwortet, dann wird man unvollständig informiert. Ich formuliere es so, um mir die Wortwahl des Kanzlers nicht zu eigen zu machen. Ich bin kein Wahlkämpfer.
Hinsichtlich der drei Milliarden Euro will ich Ihnen aber nicht ausweichen. Es gibt die Argumentation, diese drei Milliarden Euro könne man in einem Haushalt mit einem Umfang von 488 Milliarden Euro schon erwirtschaften. Das ist richtig, wenn man ausblendet, dass in diesem Haushalt von 488 Milliarden Euro bereits zum heutigen Zeitpunkt eine Lücke in Höhe von 25 oder 26 Milliarden Euro zu erwirtschaften ist. Wenn man immer nur einen einzelnen Teil sieht, sei es für Verteidigung oder für die Förderung von E-Mobilität, und sagt, eine Summe in Höhe eines einstelligen Milliardenbetrags lasse sich in einem so großen Etat immer finden, ist das richtig. Wenn man aber die Gesamtperspektive in den Blick nimmt, muss man sagen: Das Loch, der Handlungsbedarf, wie es so schön euphemistisch heißt, ist jetzt schon sehr groß. ‑ Wenn man sagt, man wolle ihn noch vergrößern, ohne eine Lösung anzubieten, wie man diese große Lücke schließen kann, dann vermeidet man die entscheidende Antwort, nämlich die Antwort auf die Frage: Wer zahlt die Zeche?
Der Bundeskanzler hat schon im November einen Vorschlag dafür unterbreitet, übrigens zusätzlich zu dem Vorschlag, die bilaterale Waffenhilfe für die Ukraine um weitere drei Milliarden Euro zu erweitern. Der Vorschlag besagt: Das können wir nicht aus der Portokasse oder mit dem Bestehenden bezahlen ‑ die meisten Länder um uns herum tun das im Übrigen auch nicht ‑, sondern wir sollten den Geldbetrag für unsere Ukraineunterstützung ‑ das sind die Militärlieferungen und Militärleistungen, die Leistungen für die 1,3 Millionen Flüchtlinge, die wir hier unterstützen, und weitere Hilfen ‑ als Sonderausgaben in einen Überschreitungsbeschluss hineinpacken und dadurch die Lücke im Haushalt schließen. Das ermöglicht die Schuldenregel.
Für diejenigen, die anders als Frau Wefers und ich nicht die Freude haben oder gehabt haben, viel mit Haushaltspolitik zu tun zu haben: Im Laufe eines Haushaltsjahres werden etwa zehn Milliarden Euro nicht verausgabt. Das bleibt hängen, weil sich Projekte verschieben, weil manches länger dauert oder sich zerschlägt. Dann bleiben von der Lücke in Höhe von 25 bis 26 Milliarden Euro immer noch ca. 14, 15 oder 16 Milliarden Euro. Diese Lücke ist im Augenblick nicht gefüllt. Das heißt auch, dass sich alles andere so entwickeln muss, wie geplant. Sich weiter verschlechternde Konjunkturaussichten wirken sich auch wieder negativ auf die Einnahmesituation des Bundes aus.
Vor diesem Hintergrund kann man nicht so tun, als könne man das einfach so aus dem Ärmel schütteln. Das hat den Kanzler, denke ich, zu seiner Aussage geführt. Dies als kleine Lesehilfe für diejenigen, die sich dafür interessieren.
Zusatz
Danke für das haushaltspolitische Proseminar.
Hebestreit (BReg)
Ich habe auch einen Bildungsauftrag. Lebenslanges Lernen ist eine tolle Sache.
Fischer (AA)
Ich würde gern ergänzen, dass es derzeit gar keinen Haushalt gibt und der Haushalt von der nächsten Bundesregierung mit den jeweiligen Prioritäten der nächsten Bundesregierung verabschiedet werden wird.
Ich will auch darauf hinweisen, dass es im Haushaltsausschuss Vertreter der Partei des Bundeskanzlers gibt, die glauben, dass diese drei Milliarden Euro durchaus darstellbar sind.
Zusatz
Herr Hebestreit, Sie haben eingangs gesagt, Ihre Begrifflichkeit wäre „unvollständige Information“ und Sie machten sich die Wortwahl des Bundeskanzlers nicht zu eigen, da Sie kein Wahlkämpfer seien. Das bedeutet ‑ Sie nicken jetzt dazu ‑, der Begriff der Lüge in diesem Kontext ist ein Wahlkampfbegriff.
Hebestreit (BReg)
Wenn ich als Regierungssprecher spreche, spreche ich immer als Regierungssprecher. Die Worte des Bundeskanzlers stehen immer für sich. Ich interpretiere sie nicht. Ich habe sie erläutert und Ihnen einen langen, Sie schlauer machenden ‑ das hatte ich gehofft ‑, Proseminarbeitrag ‑ so hatten Sie es genannt ‑ geliefert. Ich erkläre es Herrn Fischer nachher auch noch einmal.
Fischer (AA)
Wir sprechen gern noch einmal darüber.
Vorsitzende Wefers
Bitte bilateral!
Hebestreit (BReg)
Aber es sind die Begrifflichkeiten des Bundeskanzlers und des im Wahlkampf stehenden Spitzenkandidaten und Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. Deshalb habe ich auf den Wahlkampf verwiesen, in dem man zuspitzt, um durchzudringen und Klarheit zu schaffen. Es ist nicht an den Sprecherinnen und Sprechern auf dieser Bank, das zu interpretieren, und daran wollen wir uns halten.
[…]
Fischer (AA)
Noch einmal kurz zu Herrn Hebestreit: Wie gesagt, haben wir keinen Haushalt. Der Haushalt wird von der nächsten Bundesregierung festgelegt. Wir sind in der vorläufigen Haushaltsführung. Das heißt, wir sparen derzeit auch Gelder ein, die ursprünglich vorgesehen waren. Es wird neue Prioritäten der nächsten Bundesregierung geben. Sie wird bestimmte Projekte anders machen, als die aktuelle Bundesregierung es zu tun plant. Diese Projekte betreffen viele Bereiche. Aber klar ist: Im Sozialen wird nicht gespart werden. ‑ Gleichzeitig ist auch klar, dass wir hier innere, äußere und soziale Sicherheit nicht gegeneinander ausspielen.
[…]
Kämpfe im Osten der Demokratischen Republik Kongo
Frage
Herr Fischer, die Kämpfe im Ostkongo haben seit Anfang des Jahres zugenommen. UN-Generalsekretär Guterres hat jetzt davor gewarnt, dass sich diese Kämpfe sogar zu einem regionalen Krieg ausweiten könnten. Teilt die Bundesregierung diese Einschätzung?
Falls ja, was können die Bundesregierung bzw. die Europäische Union konkret tun, um dort einzuschreiten? Welche Möglichkeiten bestehen dort überhaupt?
[…]
Fischer (AA)
Jetzt zu Ostkongo: Im Ostkongo sehen wir momentan eine ganz massive Eskalation der Lage. Heute wird der Krisenstab der Bundesregierung im Auswärtigen Amt dazu zusammenkommen.
Sie haben vielleicht mitbekommen, dass die Stadt Sake, die von strategischer Bedeutung ist und auf dem Weg in die Provinzhauptstadt Goma liegt, von der Miliz M23 eingenommen worden. Nun droht diese Miliz, Goma anzugreifen. Dort suchen derzeit schon Hunderttausende Menschen Schutz, Menschen, die aus ihrem zu Hause fliehen mussten und seit Monaten unter schwierigsten Bedingungen leben, Menschen, die diesen Angriffen schutzlos ausgeliefert sind und versorgt werden müssen.
Wir fordern daher Ruanda und die M23 dazu auf, sich sofort zurückzuziehen. Alle Beteiligten müssen die Kampfhandlungen umgehend einstellen und an den Verhandlungstisch zurückkehren. Alles, was die Versorgung der Menschen in Ostkongo beeinträchtigt, muss unterbleiben. Dafür tragen alle Beteiligten die Verantwortung. Vor allen Dingen müssen auch Hilfslieferungen ohne Störungen eingeflogen werden können. Daher muss das GPS-„jamming“ von Ruanda und M23 sofort aufhören.
Es ist wichtig, dass der politische Prozess zur Lösung dieser Krise umgehend wieder aufgenommen wird. Wir unterstützen den Luanda-Prozess unter Führung des angolanischen Staatspräsidenten und den Nairobi-Prozess unter Führung des ehemaligen kenianischen Staatspräsidenten und hoffen, dass wir auf dieser Grundlage zu einer Lösung kommen.
Hebestreit (BReg)
Ich möchte nichts ergänzen.