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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 17.01.2025

17.01.2025 - Artikel

Nahostkonflikt

Frage

Herr Büchner, der US-Außenminister Blinken sagte am Rande der Waffenstillstandsverhandlungen in Doha, die Hamas habe ihre personellen Verluste durch Neurekrutierungen zahlenmäßig komplett ausgleichen können. War der Bundesregierung bekannt, dass die Hamas so viele Neurekrutierungen verzeichnet, und wenn ja, ab wann?

Büchner (BReg)

Das kann ich für Sie hier leider nicht einordnen. Wir haben die Aussagen zur Kenntnis genommen, aber dazu haben wir keine entsprechenden Erkenntnisse.

Zusatzfrage

Der Bundeskanzler und die Außenministerin Baerbock haben wiederholt gesagt, man müsse die Hamas vernichten, und das diente im letzten Jahr ja maßgeblich als Legitimierung für das Töten von weit über 50 000 palästinensischen Menschen. Halten Sie es inzwischen für eine Fehleinschätzung, dass sich die Hamas durch das Werfen von Bomben und durch diese Gewalt vernichten lässt? Oder sehen Sie es als Versäumnis, dass man denjenigen, die dieses Narrativ kritisiert und gesagt haben, die Hamas lasse sich durch Bomben eben nicht vernichten, nicht mehr zugehört hat?

Büchner (BReg)

Ich glaube, ich kann Ihre Wortwahl jetzt nicht komplett nachvollziehen, aber ich glaube, die Haltung des Bundeskanzlers und der Bundesregierung in dieser Sache ist völlig klar. Der Bundeskanzler hat immer wieder betont, dass Israel ein Recht hat, sich nach dem fürchterlichen Terrorüberfall der Hamas zu verteidigen, aber dass dies auch im Rahmen des Völkerrechts geschehen muss. Wir haben uns hier auch immer wieder ausführlich dazu eingelassen ‑ vor allem auch die Kolleginnen und Kollegen des Auswärtigen Amts ‑, dass wir alle Beteiligten aufgefordert haben, schnell zu einer Waffenruhe und auch zu einer Befreiung der Geiseln zu kommen. Ich glaube, das ist eine völlig klare Haltung der Bundesregierung, und ich sehe nicht, dass da irgendwelche Widersprüche herrschen.

Frage

Frau Deschauer, zwei Länder, die eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen gespielt haben, waren Katar und Ägypten. Sie haben diese Ländern gestern in der Erklärung explizit nicht erwähnt. Wie sehen Sie die Rolle dieser beiden Länder?

Amnesty International hat vor dem Hintergrund des Waffenstillstands gesagt, dass Israel wegen des Völkermords in Gaza zur Rechenschaft gezogen werden müsse. Die Kollegin hat es gerade erwähnt: Es gab über 50 000 Tote ‑ die tatsächlich Zahl ist wahrscheinlich wesentlich höher ‑, an die 10 000 sind noch unter den Trümmern. Sollte es jetzt eine internationale Untersuchung geben, damit Israel zur Rechenschaft gezogen werden kann?

Deschauer (AA)

Zu Ihrer zweiten Frage kann ich direkt darauf hinweisen, dass es laufende gerichtliche Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof gibt. Dort beschäftigen sich richterliche Stellen genau mit der Fragestellung, inwieweit Israel im Rahmen seines verbrieften Selbstverteidigungsrechts gehandelt hat, und auch Fragen, die hier adressiert wurden, werden dort behandelt. Insofern möchte ich mir Ihre Wortwahl und auch die Wortwahl von Amnesty International nicht direkt zu eigen machen, sondern möchte auf die laufenden Verfahren vor internationalen Gerichtshöfen hinweisen.

Zu Ihrer ersten Frage: Vielleicht muss man das noch einmal grundsätzlich einordnen. Wie Sie richtigerweise sagen, hat sich die Ministerin am Mittwoch geäußert. Wir sind jetzt an einem sehr wichtigen Moment, dem so viele entgegengefiebert haben ‑ insbesondere die Menschen in Gaza, aber auch die Menschen in Israel, deren Angehörige weiter als Geiseln verschleppt sind. Nach 15 Monaten ist dies ein Moment der Erleichterung. Wir fordern alle Beteiligten auf ‑ und es sieht ja im Moment gut aus ‑, dass alle Schritte unternommen werden, damit diese Vereinbarung nun auch umgesetzt werden kann. Insbesondere gebührt natürlich den internationalen Verhandlern ‑ das sind die Vereinigten Staaten von Amerika, aber natürlich auch Katar und Ägypten in ihrer Schlüsselrolle ‑ der Dank von uns allen. Wir haben dieses große Engagement seit geraumer Zeit unterstützt, haben immer wieder betont, dass diese Rolle entscheidend ist, und haben auch selbst durch viele Ansprachen in der Region, durch Reisen der Ministerin in der Region und durch Formate, die verschiedene Partner der Region und auch westliche Partner zusammengebracht haben, diesen Prozess flankiert.

Zusatzfrage

Frau Deschauer, Israel hat gesagt, es werde diesen Krieg weiterführen, wenn die Geiseln freigelassen worden sind. Das heißt, der Krieg wird weitergehen. Wie stehen Sie dazu?

Deschauer (AA)

Ich möchte erst noch einmal betonen, dass wir jetzt nach 15 Monaten in einem Moment sind, der eine Chance bietet, in eine neue Situation hineinzukommen ‑ in eine Situation, in der das Sterben in Gaza und das Leid der vielen Familien, Freunde und Angehörigen in Israel, die ihre Liebsten seit 15 Monaten vermissen, aufhört. Dieser Moment ist jetzt ganz entscheidend. Ich wiederhole noch einmal den Appell an alle, die Verantwortung tragen, diesen Vereinbarungen nun auch Folge zu leisten und sie umzusetzen. Sie wissen ja selbst ‑ ich möchte das hier jetzt nicht weiter ausführen ‑, dass das ein Stufenplan ist, ein Schritt auf dem Weg hin zu einer Möglichkeit eines dauerhaften Waffenstillstands. Dieser Weg ist jetzt geebnet. Es geht darum, dass die ersten Schritte erfolgreich gegangen werden und dass alle, die Verantwortung tragen, dann auch auf diesem Weg bleiben.

Frage

Frau Deschauer, wie viele deutsche Geiseln sind nach 15 Monaten noch dort? Gibt es immer noch Lebenszeichen? Werden diese Geiseln am Montag befreit, gibt es Informationen dazu?

Deschauer (AA)

Noch einmal als Einordnung: Sie werden verstehen, dass ich hier an dieser Stelle nicht auf Zahlen eingehen werde. Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen: Es besteht jetzt nach langer Zeit zum ersten Mal die reelle Chance, dass Geiseln, die sich immer noch sich in den Händen der Hamas befinden, zu ihren Liebsten zurückkommen können. Darunter befinden sich auch Personen mit Deutschlandbezug. Wir hoffen natürlich inständig ‑ und sind dazu auch seit Beginn dieses furchtbaren Krieges im Gespräch mit allen Beteiligten ‑, dass auch Personen mit Deutschlandbezug wieder zu ihren Liebsten zurückkehren können.

Zusatzfrage

Können Sie eine Größenordnung nennen? Weniger als zehn, mehr als zehn?

Deschauer (AA)

Es gibt eine niedrige zweistellige Anzahl von Fällen mit Deutschlandbezug.

Frage

Herr Büchner, meine Frage haben Sie leider nicht beantwortet; vielleicht klappt es ja jetzt. ‑ Sowohl der Bundeskanzler als auch die Außenministerin sagen: Jetzt gibt es endlich einen Waffenstillstand. Es bleibt aber ein bisschen die Frage offen: Inwiefern hat die Bundesregierung im letzten Jahr konkret darauf hingewirkt bzw. inwiefern hatte die Bundesregierung damit Erfolg, darauf hinzuwirken, dass es zu einem baldigen Waffenstillstand kommt?

Büchner (BReg)

Das alles hat ja Frau Deschauer eben ganz ausführlich ausgeführt. Ich kann es aber gerne noch einmal sagen. Wie Sie wissen, waren wir jetzt nicht direkt an den Gesprächen in Doha beteiligt, aber Deutschland hat auf vielfältige Art und Weise durch viele Gespräche dazu beigetragen, dass unter anderem die humanitäre Hilfe verbessert werden konnte und dass die Gespräche nicht abgerissen sind. Insofern, glaube ich, ist das die Antwort, die Sie eigentlich schon kennen.

Zusatz

Ich erinnere mich ein bisschen anders an das letzte Jahr. Vielleicht haben Sie da Einsichten, die mir einfach fehlen, und vielleicht können Sie mich da auch noch einmal belehren. Ich erinnere mich, dass die Bundesregierung eigentlich ständig die israelische Regierung unterstützt hat, zum Beispiel mit immer weiteren Waffenlieferungen; aber auch vor dem IGH hat die Bundesregierung die israelische Regierung unterstützt und ihr den Rücken freigehalten. Die israelische Regierung hat diesen Waffenstillstand bzw. diesen Deal aber immer wieder torpediert.

Büchner (BReg)

Ich kann mir Ihre Einschätzung wirklich nicht zu eigen machen. Ich kann aber gerne noch einmal wiederholen: Grundsätzlich gilt, dass Israel völkerrechtlich verbriefte Recht hat, sich gegen die Angriffe von Hamas und Hisbollah zu verteidigen. Diese Selbstverteidigung muss den Bestimmungen des humanitären Völkerrechts entsprechend ausgeübt werden.

Die Bundesregierung weist auch weiter auf die Bedeutung der Einhaltung des humanitären Völkerrechts hin, sowohl bei direkten Gesprächen in Israel als auch öffentlich ‑ das haben wir immer wieder getan ‑, und wenn der Verdacht von Verstößen besteht, müssen diese Vorfälle untersucht werden. Auch das haben wir immer wieder gesagt. Das unterscheidet Israel ganz wesentlich von der Hamas. Mögliche Verstöße können in Israel untersucht und geahndet werden, bei einer Terrororganisation nicht.

Frage

Ich habe gestern in den Medien ‑ bei CNN und Co. ‑ gehört, dass der Außenminister gesagt hat, dass die USA kurz vor den Gesprächen bzw. kurz vor der Einigung andere Länder um Hilfe gebeten haben, zu vermitteln. Meine Frage ist: Wurde die Bundesregierung auch um Hilfe gebeten? Wenn ja, wie haben Sie Hilfestellung gegeben, damit sich die Hamas an den Verhandlungstisch setzt und kooperiert?

Deschauer (AA)

Vielen Dank für Ihre Frage. - Ich glaube, ich hatte schon etwas zu unserer Rolle auf dem Weg zu der großen Erleichterung, die wir jetzt, glaube ich, alle spüren, ausgeführt und gesagt, dass zum ersten Mal seit geraumer Zeit die Möglichkeit für einen Waffenstillstand und eine Geiselbefreiung besteht. Herr Büchner hatte das eben auch erwähnt. Sie wissen, dass die Bundesregierung nicht direkt an den Verhandlungen beteiligt ist und wir auch nicht im direkten Kontakt mit der Hamas stehen.

Die Äußerung, die Sie jetzt gerade erwähnen, kenne ich nicht. Ich kann mich noch einmal schlaumachen. Aber unsere Rolle ist doch sehr deutlich geworden, dass wir von Beginn an als Bundesregierung ‑ insbesondere die Außenministerin mit zahlreichen Reisen und Gesprächen vor Ort, aber auch hier in Deutschland ‑ den Prozess flankiert haben, frühzeitig genau die Forderungen gestellt haben, zu deren Erfüllung wir jetzt hoffentlich kommen, nämlich eine Einstellung von Kampfhandlungen und eine Freilassung der Geiseln. Wir haben ‑ vielleicht kann man das sagen ‑ auch insofern etwas auf den Weg gebracht, als es auch Formate gab, die sich erstmals getroffen haben ‑ arabische Partner mit westlichen Partnern ‑, die sich über die Schritte auf dem Weg dorthin und die Zukunft für Israel und die palästinensischen Gebiete intensiv ausgetauscht und beraten haben.

Frage

Ich hätte noch einmal eine Frage zu dem Statement des Bundeskanzlers zum Waffenstillstandsdeal. Da gibt es sehr viele bemerkenswerte Aspekte. Ich habe mich aber gefragt: Was macht denn aus Sicht des Bundeskanzlers aus einem Menschen, der übelste Gewalt an Zivilisten anwendet ‑ wie zum Beispiel die Hamas am 7. Oktober, aber auch IDF-Soldaten in Gazastreifen im gesamten letzten Jahr ‑, ein Monster oder einen Barbaren? Diese Wortwahl benutzt ja der Kanzler sehr oft.

Büchner (BReg)

Da sich der Bundeskanzler jetzt gerade vor wenigen Minuten noch einmal persönlich zu der ganzen Situation geäußert hat, bin ich jetzt hier nicht bereit, weitere Interpretationen von Begriffen vorzunehmen, sondern würde auf das verweisen, was der Bundeskanzler gerade selbst gesagt hat.

Zusatzfrage

Na ja, Sie sind ja dafür zuständig, in Bezug auf das, was der Bundeskanzler gesagt hat, hier auch noch einmal Fragen zu beantworten und zu vermitteln, und meine Frage ‑ ‑ ‑

Büchner (BReg)

Ich bin aber nicht dafür zuständig, irgendwelche Interpretationen vorzunehmen. Das ist Ihre Sache.

Zusatzfrage

Meine Frage bezog sich ja auf eine Wortwahl, die der Kanzler im vergangenen Jahr öfter benutzt hat. Deshalb spielt es auch eigentlich keine Rolle, ob er jetzt gerade auch noch einmal ein Statement abgegeben hat. Noch einmal die Frage: Wann benutzt der Kanzler den Begriff Monster oder Barbar für Menschen?

Büchner (BReg)

Ich glaube, dass das ein barbarischer Überfall war, den die Hamas im Oktober vor mittlerweile zwei Jahren begangen hat, und dass es eine völlig zulässige Beschreibung ist, dieses Handeln als barbarisch zu bezeichnen.

Verurteilung von drei Anwälten von Alexej Nawalny zu Haftstrafen

Frage

Es sind drei Anwälte von Alexej Nawalny zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden, zu dreieinhalb bis fünf Jahren Haft. „Wegen Mitgliedschaft in einer extremistischen Vereinigung“, war die Formulierung. Was ist die Haltung der Bundesregierung dazu? Was ist die Reaktion darauf?

Deschauer (AA)

Vielen Dank. - Ich kann es vielleicht noch einmal etwas grundsätzlicher einordnen: Wie kaum ein anderer stand Alexej Nawalny für die Hoffnung auf ein demokratisches Russland, auf ein anderes Russland, und wir alle wissen, dass er deswegen im Straflager in Russland sterben musste. Die russischen Behörden sind für seinen Tod verantwortlich. Die politisch motivierten Verfahren gegen Alexej Nawalny sowie gegen zahlreiche Kritiker der russischen Regierung und die unmenschlichen Haftbedingungen zeigen, wie brutal die russische Regierung und Justiz gegen Andersdenkende vorgehen. Das verurteilen wir aufs Schärfste, und das haben wir auch immer getan, und fordern im Grundsatz ausdrücklich die Freilassung aller in Russland aus politischen Gründen inhaftierten Personen. Die Verurteilung von Nawalnys Anwälten, die Sie jetzt ansprechen, ist insofern in diesem System der Repression keine Überraschung, aber leider ein weiterer trauriger Tiefpunkt.

Zusatzfrage

Wird sich die Ministerin dazu auch noch äußern?

Deschauer (AA)

Ich habe mich jetzt an dieser Stelle erst einmal für die Bundesregierung geäußert. Alles Weitere entnehmen Sie dann unserer Kommunikation, wie üblich. Ich glaube, diese Position gilt für die Bundesregierung sehr klar.

Ich möchte noch eine Ergänzung machen, entschuldigen Sie bitte: Ich sehe gerade, dass sich unsere Menschenrechtsbeauftragte, Luise Amtsberg, auf dem Portal Bluesky geäußert hat. Insofern gibt es für die Bundesregierung hier eine weitere Positionierung.

Militärische Beziehungen zwischen Russland und Iran

Frage

Ich habe zwei Themen, aber ich fange einmal mit Frau Deschauer an. Mich würde interessieren, wie das Auswärtige Amt die Beziehungen zwischen Russland und dem Iran einschätzt. Heute wird ja in Moskau oder wurde schon ein großes Militärabkommen unterzeichnet. Wie bewerten Sie diese Vertiefung der militärischen Beziehungen zwischen den zwei Ländern? Sehen Sie unter anderem die Gefahr, dass zum Beispiel jetzt nicht nur nordkoreanische Soldaten, sondern auch iranische Soldaten in den Krieg gegen die Ukraine eintreten oder dass Russland den Iranern eventuell bei dem Atomprogramm des Iran helfen könnte?

Deschauer (AA)

Ich habe Einzelheiten des von Ihnen erwähnten Abkommens noch nicht analysieren können oder analysiert. Deswegen sage ich in ganz grundsätzlicher Art: Die Bundesregierung betrachtet die Rolle Irans in der Region natürlich sehr kritisch, auch die Tatsache, dass Russland sich zur Unterstützung seines Angriffskriegs gegen die Ukraine auf vielfältige Art und Weise ‑ sie sprachen Nordkorea an ‑ Unterstützung von Terrorhelfern sucht. Das hat die Bundesregierung hier und auch, glaube ich, schriftlich schon an verschiedenster Stelle deutlich verurteilt. Insofern ist das auch im Grundsatz die Position, die weiter gilt.

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