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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 08.01.2025
- Lage in Syrien
- Nahostkonflikt
- Festnahme von Ausländerin in Venezuela im Vorfeld der Vereidigung des Präsidenten
- Weiterentwicklung der afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung; Aussöhnungsprozess zwischen Deutschland und Namibia
- Äußerungen des französischen Präsidenten auf dem jährlichen Treffen der französischen Botschafter in Paris
- Projektion eines Porträts von Robert Habeck auf das Münchner Siegestor
Lage in Syrien
Frage
Im Rahmen Ihres Syrien-Besuchs hat Außenministerin Baerbock erklärt, es sei Zeit für Russland, seine Militärbasen in Syrien zu verlassen. Neben den russischen Militärbasen, die dort völkerrechtskonform auf Vertragsebene eingerichtet wurden, gibt es auch mehrere US-Basen in Syrien. Exemplarisch sei auf Al-Tanf im Südosten des Landes verwiesen; allein dort sind zum Stand Dezember 2024 laut Pentagon-Angaben 2000 US-Soldaten stationiert, dies allerdings ganz ohne Vertrag oder andere völkerrechtliche Grundlagen.
Herr Wagner, Sie werden meine Frage erahnen: Aus welchen Beweggründen hat sich die Außenministerin gegen die völkerrechtlich legitimierten russischen Basen ausgesprochen, aber nicht gegen die völkerrechtswidrigen US-Basen auf syrischem Staatsgebiet?
Wagner (AA)
Die Außenministerin hatte sich im Rahmen ihrer Reise vor ihrer Ankunft schon dazu eingelassen. Wenn man auf die russischen Basen oder auf die russische Präsenz, den russischen Einfluss in Syrien schaut, muss man ja vor allen Dingen auf den Kontext schauen, dass Russland über Jahre das Regime von Baschar al-Assad und dessen Gewalt gegen die Zivilbevölkerung ‑ es wurden ja Zivilisten bombardiert ‑ unterstützt hat.
Ich glaube, auf was wir da abstellen, ist ‑ und das hat die Außenministerin auch gesagt ‑, dass die Menschen in Syrien nicht vergessen haben, auf welcher Seite Russland da stand. Insofern ist das am Ende eine syrische Angelegenheit, und da stellt sich natürlich die Frage: Wie gehen die neuen Machthaber in Syrien mit der russischen Präsenz um? In diesem Kontext hat sich die Außenministerin eingelassen. Ich würde das nicht verknüpfen mit dem Antiterrorkampf, den die Amerikaner in Syrien führen.
Zusatzfrage
Die Antwort hat sich mir jetzt nicht ganz erschlossen. Sieht die Bundesregierung die US-Militärbasen ‑ wohlgemerkt sind dort mehr als 2000 US-Soldaten auf syrischem Staatsgebiet stationiert, und das schon seit mehreren Jahren ohne jegliche Einladung ‑ als völkerrechtskonform oder völkerrechtswidrig an? Wenn die Außenministerin die Militärbasen als völkerrechtswidrig ansieht, wieso verurteilt sie dies dann nicht oder fordert die US-Amerikaner zum Abzug auf?
Wagner (AA)
Ich habe hier gar keine völkerrechtliche Einordnung geliefert, sondern ich habe dargelegt, dass es uns außenpolitisch jetzt darum geht, die Stabilisierung in Syrien zu begleiten und alles dafür zu tun, dass Syrien zu einer guten Entwicklung kommt.
Klar ist doch auch ‑ und das ist auch Teil des Komplexes ‑, dass von Syrien lange Zeit Terrorismus ausging und es dort ein Engagement der Amerikaner und auch von anderen gab. Jetzt stellt sich aber doch die Frage: Wie gestaltet sich der Prozess in Syrien und wie ist die ausländische Einflussnahme auf diesen Prozess in Syrien? In diesem Kontext muss man auch die russischen Basen sehen.
Frage
Herr Wagner, der französische Außenminister Barrot hat heute Morgen gefordert, dass die EU die Sanktionen gegen Syrien zum gegenwärtigen Zeitpunkt zumindest lockert. Wie ist da die Haltung der Bundesregierung?
Wagner (AA)
Vielen Dank,. ‑ Auch wir haben ja Ideen zu dieser Thematik eingebracht. Es ist ganz klar, dass sich jetzt die Frage stellt ‑ und das schließt an das an, was ich eben gegenüber Ihrem Kollegen gesagt habe ‑, wie wir mit den bestehenden Sanktionen umgehen. Infolge der massiven Unterdrückung gegen die syrische Bevölkerung gab es ja von den Vereinten Nationen und auch von der EU verhängte Sanktionen. Jetzt gibt es eben eine neue Lage vor Ort, und damit stehen natürlich auch die bestehenden Sanktionen auf dem Prüfstand.
Lassen Sie mich vielleicht eines sagen: Ganz klar ist natürlich, dass die Sanktionen gegen diejenigen, die während des Bürgerkrieges schwere Verbrechen begangen haben und das Assad-Regime stützten oder von ihm profitierten, aufrechterhalten werden. Andererseits müssen wir jetzt eben ‑ und das schließt an das an, was ich gesagt habe ‑ diskutieren und uns aktiv darüber Gedanken machen, wie wir die syrische Bevölkerung unterstützen können. Da ist eben eine mögliche Maßnahme eine Erleichterung von Sanktionen zum Beispiel gegen einzelne, zuvor vom Assad-Regime dominierte Wirtschaftssektoren. Das geht in der EU aber nur einstimmig, und deshalb laufen dazu jetzt die Diskussionen in Brüssel.
Zusatzfrage
In welchen Sektoren sehen Sie es denn als am dringlichsten an, dass man Sanktionen lockert, um die Lage vor Ort zu verbessern?
Wagner (AA)
Das ist ja das, was ich eben schon angedeutet habe: Es geht jetzt darum, zu einer Stabilisierung beizutragen. Da stellen sich natürlich vor allen Dingen Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung und vielleicht auch Fragen von Rückflüssen der syrischen Diaspora im Ausland. Deshalb laufen dazu jetzt die Gespräche in Brüssel, und man schaut sich eben auch genau an, wie und in welchen Bereichen sich welche Sanktionen wie ausgewirkt haben und welchen Effekt sie haben. Diese Gespräche laufen jetzt.
Frage
Herr Wagner, ich versuche es noch einmal: Die schon genannte US-Militärbasis Al-Tanf in Syrien wurde 2016 etabliert, wie gesagt ohne jegliche völkerrechtliche Grundlage. Deswegen würde mich trotzdem noch interessieren ‑ Sie können das gerne auch mit Ja oder Nein beantworten ‑: Sieht die Bundesregierung diese US-Militärbasis in Syrien als völkerrechtskonform an?
Wagner (AA)
Da müssen Sie letztlich die Frage an die Regierung in Damaskus richten, ob sie mit einer Präsenz der Amerikaner in Syrien oder mit einer Präsenz der Russen in Syrien einverstanden ist. Ich habe zu diesem Komplex, zu dem Sie mich ja eben schon gefragt haben, das gesagt, was ich zu sagen habe.
Zusatzfrage
Aber der Punkt ist ja: Die Russen, die Sie genannt haben, haben seit über 50 Jahren ‑ zum Beispiel im Fall von Tartus ‑ völkerrechtliche Verträge mit der Syrischen Republik. Die US-Amerikaner sind einfach nach Syrien reingegangen und haben da ihre Militärbasis etabliert. Das hat unter Umständen ja auch einen Vorbildcharakter für andere Länder. Deswegen wäre es doch durchaus relevant, dass die Bundesregierung sich zu der Frage positioniert, ob sie so ein Vorgehen legitimiert oder nicht.
Wagner (AA)
Ein Vorgehen, das wir nicht als legitim ansehen oder auch nicht gutheißen können, ist, wenn Russland über Jahre ein Regime in Damaskus gestützt hat, das für den Tod von hunderttausenden Menschen verantwortlich ist und sich auch aktiv an Kampfhandlungen gegen Zivilisten in Syrien beteiligt hat. Das ist doch der Hintergrund der russischen Präsenz in Syrien, und jetzt stellt sich für die neuen Machthaber in Damaskus eben die Frage, wie sie damit umgehen. Das ist deren Entscheidung. Aus unserer Sicht sollte Russland seinen Einfluss in Syrien zurückziehen.
[…]
Frage
Noch einmal zu den Sanktionen: Wir sehen ja, dass die Bundesregierung die Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien und mögliche Wirtschaftshilfen für das Land an Bedingungen knüpft. Die Sanktionen wurden damals als Reaktion auf das nun gestürzte Regime verhängt. Ist es für Sie vertretbar, Menschen, die dieses Regime gestürzt haben, weiterhin mit Sanktionen zu belegen und vielleicht auch die Machthaber auf Linie zu bringen?
Wagner (AA)
Lassen Sie mich das vielleicht noch einmal ausführen ‑ ich dachte, ich hätte das eben schon gesagt ‑: Es laufen jetzt Diskussionen, wie wir mit den bestehenden Sanktionen, die sich eben gegen das Regime von Baschar al-Assad gerichtet haben, mit Blick auf die Frage umgehen, welche Rolle diese Sanktionen bei einer möglichen Unterstützung und Stabilisierung eines politischen Prozesses in Syrien spielen. Das sind wichtige Diskussionen, und wir müssen uns dieser Frage stellen, weil die Sanktionen ansonsten gegebenenfalls einer positiven Entwicklung im Wege stehen.
Klar ist aber auch ‑ das hat die Außenministerin bei ihrem Besuch in Damaskus auch betont, und wir haben das hier an dieser Stelle auch getan ‑: Wir schauen uns die Entwicklung in Syrien jetzt sehr genau an, wir schauen uns an, in welche Richtung das geht. Das Kapitel für die Zukunft Syriens ist jetzt ja erst aufgeschlagen worden, und wie es dann geschrieben wird, steht, glaube ich, wirklich noch infrage. Es gibt positive Signale der HTS, die in Damaskus jetzt de facto die Kontrolle hat; es gibt aber auch besorgniserregende Signale. Insofern werden wir da sehr genau hinschauen.
Klar ist, es braucht einen politischen Prozess, der inklusiv ist und der die ethnischen und religiösen Gruppierungen, die es in Syrien gibt, mitnimmt und diesen dort auch eine Rolle gibt. Das schauen wir uns sehr genau an.
Frage
Herr Wagner, das nächste Treffen der EU-Außenminister findet erst am 27. Januar statt, soweit ich weiß. Wäre es möglich, dass da vorher schon eine Entscheidung fallen könnte?
Wagner (AA)
Darüber möchte ich nicht spekulieren. Wie gesagt, die Gespräche laufen jetzt in Brüssel. Noch einmal: Es ist so, dass Sanktionsentscheidungen in der EU tatsächlich einstimmig gefällt werden müssen. Insofern muss das alles gut abgestimmt und gut besprochen sein.
[…]
Nahostkonflikt
Frage
Herr Wagner, in den letzten Tagen kam es zu gewalttätigen Übergriffen israelischer Siedler auf palästinensische Wohnungen. Mehrere Wohnungen und Autos wurden niedergebrannt. Das israelische Militär hat nicht interveniert. Ich hätte gern eine Reaktion darauf und auch auf die Äußerung des israelischen Finanzminister Smotrich, der gestern in Gesprächen mit israelischen Medien gesagt hat, dass die palästinischen Städte in der Westbank genau wie Gaza niederbombardiert und plattgemacht werden sollten.
Wagner (AA)
Lassen Sie mich vielleicht mit dem zweiten Teil anfangen: Diese Äußerungen weisen wir strikt zurück. Sie sind nicht hilfreich. Sie sind eskalierend, und sie helfen auch einer Friedensfindung im Nahostkonflikt nicht.
Zum ersten Teil: In der Tat sind wir auch über die Lage im Westjordanland sehr besorgt. Das betrifft die von Ihnen genannten Vorfälle. Es betrifft auch Terroranschläge, die es gab und bei denen zuletzt drei Israelis getötet worden sind. Insofern ist die Lage dort sehr, sehr angespannt. Wir rufen alle dazu auf, das Mögliche zu tun und dazu beizutragen, dass sich die Lage wieder beruhigt.
Sie sehen das Vorgehen der Palästinenserbehörde im Flüchtlingslager Dschenin gegen Terror. Es ist gut, dass die palästinensischen Sicherheitskräfte auch selbst aktiv werden. Es ist wirklich bedauerlich, dass es dort am Wochenende erneut zu Toten und Verletzten gekommen ist. Darunter ist auch eine 22-jährige palästinische Journalistin, durch einen Scharfschützen der Militanz. Diese Vorfälle müssen natürlich aufgearbeitet werden.
Aber noch einmal: Die Lage im Westjordanland ist sehr, sehr angespannt, und es sind, denke ich, alle gut beraten, das zu tun, was sie zu einer Beruhigung und zu einer Deeskalation tun können.
Festnahme von Ausländerin in Venezuela im Vorfeld der Vereidigung des Präsidenten
Frage
Herr Wagner, eine Frage zu Venezuela: In den letzten Tagen sind mehr als hundert Ausländer festgenommen worden. Die Regierung behauptet, darunter seien Söldner, die an destabilisierenden bzw. Terroraktionen teilnehmen sollten. Laut der venezolanischen Regierung befinden sich auch Deutsche darunter. Können Sie uns das bestätigen, und haben Sie nähere Informationen?
Wagner (AA)
Die Medienberichte haben wir natürlich erfolgt. Das Vorgehen gegen Oppositionelle, das wir sehen, ist tatsächlich besorgniserregend. Wir haben natürlich auch die Angaben der venezolanischen Behörden gesehen, was Ausländer angeht.
Tatsächlich sind wir zu diesen Fällen noch nicht notifiziert worden. Eigentlich ist es Usus im konsularischen Recht, dass die entsprechenden Botschaften oder Konsulate informiert werden, wenn ausländische Staatsangehörige auf dem Gebiet eines Staates festgenommen werden. Das ist nicht der Fall. Insofern haben wir keine Kenntnis von Deutschen, die dort in diesem Zusammenhang verhaftet worden sein sollen. Daher kann ich nur bei dem bleiben, was ich jetzt gesagt habe.
Zusatzfrage
Am Freitag wird Nicolás Maduro als Präsident vereidigt werden. Edmundo González, der ebenfalls die Präsidentschaft für sich beansprucht, wird auch in Venezuela sein, auch um vereidigt zu werden. Wir wissen nicht genau, was er vorhat. Da wird es bestimmt zum Konflikt kommen. Ich weiß nicht, ob es auch zu Gewalt kommen wird oder nicht. Welche Haltung hat die Bundesregierung dazu?
Wagner (AA)
Wir haben uns wiederholt dazu eingelassen, auch auf europäischer Ebene. Insofern kann ich das jetzt nur wiederholen. Alle Informationen, die uns vorliegen, deuten darauf hin, dass González die Wahl gewonnen hat. Aber es ist eben auch so, dass ohne eine Veröffentlichung der sogenannten „actas“, der Wahlunterlagen, die unabhängig überprüft werden müssen, das Wahlergebnis nicht rechtmäßig festgestellt werden kann. Das heißt, dass Nicolás Maduro nicht als Wahlsieger betrachtet werden kann, aber umgekehrt eben auch González nicht. Insofern stellt sich diesbezüglich noch eine ganze Reihe von Fragen.
Frage
Ich habe eine grundsätzliche Verständnisfrage, was die Anerkennung der Maduro-Regierung angeht. Ich denke ‑ korrigieren Sie mich ansonsten ‑, vor ungefähr einem Monat hat Deutschland einen neuen Botschafter nach Venezuela entsandt. Ihm wurden auch die entsprechenden Beglaubigungsurkunden von Maduro ausgehändigt. Kann man das als eine zumindest De-facto-Anerkennung der Regierung Maduro interpretieren, oder wie ist dieser diplomatische Ablauf zu bewerten?
Wagner (AA)
Ich kann es gern noch einmal ausführen. Wir erkennen keine Regierungen an, sondern wir erkennen Staaten an. Es ist tatsächlich so, dass wir vor Ort mit einem Botschafter vertreten sind, der zur konsularischen Betreuung deutscher Staatsangehöriger da ist.
Aber noch einmal: Zu den Wahlvorgängen gilt das, was ich eben gesagt habe. Solange diese „actas“, diese Wahlunterlagen, nicht veröffentlicht sind, kann man nicht unabhängig überprüfen, wie die Wahl in Venezuela ausgegangen ist. Deshalb gilt unsere Forderung, die Forderung der Europäischen Union, diese Unterlagen zu veröffentlichen.
Zusatzfrage
Ich habe ein gewisses Déjà-vu. Sie haben jetzt noch einmal extra betont, die Bundesregierung erkenne keine Regierungen an, sondern nur Staaten. Wir alle hier im Raum kennen die Causa Guaidó, bei der die Bundesregierung ‑ wohlgemerkt nicht die Ihre, aber trotzdem die Bundesregierung ‑ mit Guaidó justement eine Person und eine Regierung anerkannt hat und nicht den Staat. Bedauert die Bundesregierung im Nachhinein, dass sie so vorgegangen ist?
Wagner (AA)
Ich bin nicht zur historischen Aufarbeitung hier, sondern ich bin dazu da, aktuelle außenpolitische Vorgänge für das Auswärtige Amt zu kommentieren, und das habe ich getan.
Weiterentwicklung der afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung; Aussöhnungsprozess zwischen Deutschland und Namibia
Frage
Ich möchte zunächst Herrn Hebestreit befragen, dann Herrn Wagner.
Herr Hebestreit, nach unserer Information wurden die afrikapolitischen Leitlinien im Kabinett beschlossen. Welche Bedeutung haben sie für den Bundeskanzler sechs Wochen vor der nächsten Bundestagswahl?
Hebestreit (BReg)
Ja, sie waren auf der sogenannten Top-1-Liste, die wir hier in der Regel nicht vortragen. Aber sie sind tatsächlich beschlossen worden. Die Welt und auch der afrikanische Kontinent haben sich seit der vorigen Auflage der afrikapolitischen Leitlinien im Jahr 2019 stark verändert. Das haben wir alle wahrgenommen. Auch die Prioritäten unserer Afrikapolitik haben sich seit 2019 stark gewandelt. Der partnerschaftliche Ansatz beim Umgang mit globalen Fragen hat an Bedeutung gewonnen, ebenso unser Einsatz dafür, dass afrikanische Länder eine angemessene Stimme in der internationalen Politik haben. Sie erinnern sich an unser Engagement, dass die Afrikanische Union auch Mitglied der G20-Gruppe werden konnte. Themen wie zum Beispiel Migrationspartnerschaften oder die Aufarbeitung der Kolonialzeit haben ebenfalls an Gewicht gewonnen. Andere Themen wie Wachstum und Sicherheit bleiben wichtig. Alldem tragen wir mit der von Ihnen genannten Weiterentwicklung der Leitlinien Rechnung.
Ich nenne noch einmal kurz die vier Schwerpunktziele, auf die wir uns darin ausrichten. Es ist die Bewältigung globaler Herausforderungen, die Förderung nachhaltigen Wachstums, die Stärkung demokratischer Resilienz und der Bereich von Sicherheit, Frieden und nachhaltiger Stabilität.
Es war natürlich kein plötzlicher Prozess, in dem diese Leitlinien überarbeiten. worden sind, sondern ein langfristig in dieser Regierung angelegter. Die Legislaturperiode ist nun etwas kürzer als ursprünglich geplant, und trotzdem machen wir natürlich weiterhin unsere Arbeit. Auch diese Leitlinien sind weiterhin Grundlage für diese Arbeit und bauen auf den vorherigen Leitlinien auf. Insofern ist es genau richtig, dass sie jetzt auch im Kabinett beschlossen werden.
Zusatzfrage
Herr Wagner, Namibia wird als einziges Land in den Leitlinien namentlich genannt, und darin gibt es die Formulierung, dass es eine Priorität für die Aussöhnung gebe. Wie gut läuft dieser Aussöhnungsprozess mit der neuen Regierung Namibias aktuell?
Wagner (AA)
Ja, Sie haben recht. Ich kann nur bestätigen, dass das für uns eine hohe Priorität hat. Ich habe jetzt aber keine Neuigkeiten dazu zu verkünden. Aber Sie wissen ‑ das ist eben auch Teil der afrikapolitischen Leitlinien ‑, dass diese Bundesregierung der kolonialen Aufarbeitung eine hohe Priorität zugemessen hat. Das dient nicht nur der historischen Aufarbeitung, sondern das hat auch sehr konkret politische Gründe, weil man einen partnerschaftlichen Ausbau der Beziehungen mit den so wichtigen Partnern Afrikas nur dann gewährleisten kann, wenn dieses Verhältnis auf Vertrauen und auf Glaubwürdigkeit fußt. Die glaubwürdige Aufarbeitung deutscher Verbrechen und deutscher Kolonialvergangenheit ist ein wichtiger Bestandteil davon.
Zu Namibia: Wie gesagt, gibt es einen intensiven Kontakt und intensive Gespräche, die gut vorankommen. Aber ich habe hier zu diesem Zeitpunkt keine Ankündigung zu machen.
Zusatzfrage
Wenn Sie so betonen, dass die Aufarbeitung der kolonialen Verbrechen so wichtig sei, denken Sie dann nicht, dass Staaten wie Tansania oder auch Kamerun irritiert sein könnten, nicht genannt zu werden?
Wagner (AA)
Das ist ja keine abschließende, exklusive Liste, sondern das ist tatsächlich etwas, was wir in vielen Teilen auf dem afrikanischen Kontinent getan haben. Ich erinnere noch einmal an Nigeria, das Beispiel der Benin-Bronzen. Insofern sind wir auch mit den anderen Partnern in einem engen Austausch. Es gab Reisen der Staatsministerin im Auswärtigen Amt auch in diese Länder. Insofern führen wir beständig einen Dialog.
[…]
Frage
Herr Wagner, inwieweit gibt es denn in den Leitlinien auch Vorgaben zum Umgang mit dem chinesischen bzw. dem russischen Einfluss in Afrika?
Wagner (AA)
Das ist auch ein Thema. Aber, noch einmal, diese Leitlinien, die Sie ja dann auch gerne auf unserer Homepage nachlesen können, geben sozusagen den politischen Rahmen für einen stärkeren Ausbau der Partnerschaften zu den Staaten Afrikas vor. Das buchstabieren wir dann aus, und das knüpft ein bisschen an das an, was Steffen Hebestreit hier ja eben auch schon beschrieben hat, nämlich die Arbeiten, die wir in der ganzen Legislaturperiode ohnehin schon durchgeführt haben, länderspezifische Strategien, sozusagen die Beziehungen mit Blick auf einzelne Länder. Aber natürlich nehmen wir wahr, wie China und Russland in Afrika unterwegs sind, welche Instrumente sie benutzen, um dort Einfluss zu nehmen, im positiven, aber häufig eben auch in einem anderen Sinne. Wir sind, glaube ich, als deutsche Bundesregierung, aber eben auch als Europäer gut beraten, dort andere, partnerschaftlichere, gleichberechtigtere Angebote zu machen, und das ist Sinn und Zweck dieser in den Leitlinien skizzierten Politik.
Äußerungen des französischen Präsidenten auf dem jährlichen Treffen der französischen Botschafter in Paris
Frage
Da wir gerade beim Kontext von Neokolonialismus und Afrika sind: Der französische Präsident Macron hat am 6. Januar im Rahmen des alljährlichen Treffens aller französischer Botschafter in Paris erklärt, dass die Afrikaner Dankbarkeit gegenüber Frankreich vermissen lassen würden und viele dieser Staaten ohne die Präsenz französischer Truppen gar nicht mehr souverän wären. Westafrikanische Vertreter haben ihm daraufhin neokoloniales Verhalten vorgeworfen.
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung ihres französischen Partners oder eher die der westafrikanischen Partner bezüglich der Aussagen des Präsidenten?
Wagner (AA)
Das ist jetzt wirklich eine Frage, die Sie an die französische Regierung richten müssen. Es ist ja guter Usus, dass wir hier diese Äußerungen ‑ das hatten wir am Anfang dieser Pressekonferenz; dabei ging es um Äußerungen, die uns von der anderen Seite des Atlantiks erreichen ‑ nicht kommentieren.
Projektion eines Porträts von Robert Habeck auf das Münchner Siegestor
Frage
Der grüne Kanzlerkandidat und Wirtschaftsminister Robert Habeck hat kürzlich in München ohne städtische Erlaubnis ein Riesenporträt von sich auf das Münchner Siegestor projizieren lassen. Da würde mich zunächst interessieren, Herr Hebestreit: Wie bewertet denn der Kanzler auch eingedenk des historischen Hintergrunds des Siegestors diese Aktion seines Mitkonkurrenten um die Kanzlerschaft? Plant der Kanzler denn unter Umständen gar ähnliche Aktionen, etwa an der Berliner Siegessäule oder am Kriegerdenkmal 1870/71 in Hamburg-Rotherbaum?
Hebestreit (BReg)
Das kommentieren wir überhaupt nicht. Vor einigen vergangenen Regierungspressekonferenzen habe ich hier ja einmal so einen Disclaimer gemacht. Wir sind hier dafür da, Regierungshandeln zu kommentieren. Es läuft jetzt ein Bundestagswahlkampf, und auch einige Regierungsmitglieder befinden sich in diesem Bundestagswahlkampf. Insofern werden wir hier sehr fein trennen in Bezug auf das, was sich in den Wahlkämpfen abspielt. Das gehört dorthin und kann dort kommentiert und bewertet werden. Wir sprechen für die Regierung und bewerten Regierungshandeln, und deswegen kann ich an der Stelle ganz klar sagen, dass ich mich dazu nicht äußere.
Das andere wäre die Frage an den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, die Sie da nahelegen. Dafür müssen Sie sich an die Parteizentrale der SPD wenden.
Zusatzfrage
Dann hätte ich noch eine Nachfrage an das Auswärtige Amt bezüglich möglicher Reaktionen auf internationaler Ebene. Das Siegestor trägt ja seinen Namen, weil dort nach dem Deutsch-Französischen Krieg die bayerischen Truppen den Sieg gegen Frankreich gefeiert haben, und auch in der Zeit des Nationalsozialismus war es ein zentrales Symbol für die NS-Propagandaapparate. Deswegen würde mich vor diesem Hintergrund interessieren, ob es denn Beschwerden von französischer Seite oder anderer internationaler Partner in Bezug auf dieses Vorgehen des amtierenden Wirtschaftsministers und potenziellen Kanzlerkandidaten gab und was er eingedenk der Symbolik dieses Ortes bezwecken wollte.
Wagner (AA)
Das ist mir nicht bekannt, nein.
Zusatzfrage
Können Sie etwas nachliefern?
Wagner (AA)
Falls es etwas geben sollte ‑ ich habe meine großen Zweifel ‑, dann kann ich das gerne nachreichen.